X-Y-Z

Im Dezember 2010 habe ich die Homepage von AVEN.de entdeckt. Seitdem befasse ich mich intensiver mit dem Thema Sexualität und speziell mit der Klassifikation von sexuellen Orientierungen. Nach und nach habe ich meine Recherchen zu einem Projekt – Sexual-Koordinaten-System (SKS) – zusammengefasst.

  1. Kinsey-Skala
  2. AVEN-Dreieck und andere Modelle
  3. A-Romantik
  4. Geschlecht
  5. Demisexualität, Pansexualität
  6. Beziehungsformen

 

  1. Kinsey-Skala

In den 1940er Jahren, Zeiten zu denen Sexualität ein absolutes Tabu in der Öffentlichkeit waren, hat Professor Alfred Charles Kinsey mit seinen Werken „Kinsey-Reports über das menschliche Sexualverhalten“ ein mutiges Meisterwerk veröffentlicht. Diese Arbeit war und ist noch immer eine große Bereicherung auf ihrem Gebiet.

 

Abb. 01

 

In der Kinsey-Skala (Abb.01) wird das zwischenmenschliche sexuelle Verhalten beschrieben. Die Skala stellt einen kontinuierlichen Übergang von dem heterosexuellen Pol (links) zu dem homosexuellen Pol (rechts) dar. Außerdem gibt es eine gesonderte Gruppe „X“ von Menschen, die keinerlei sexuelles Interesse zeigen.

In dieser Skala fallen mir einige Besonderheiten auf, die sich in vier Thesen zusammenfassen lassen:

These 1
Behauptung:

Kinsey`s eigene Aussage stimmt mit seiner Skala nicht überein.
Erläuterung:
Einerseits behauptete er: „Man kann die Welt nicht in Schafe und Ziegen einteilen. Nicht alle Dinge sind schwarz oder weiß. Es ist ein Grundsatz der Taxonomie, dass die Natur selten getrennte Kategorien aufweist. Nur der menschliche Geist führt Kategorien ein und versucht, die Tatsachen in getrennte Fächer einzuordnen. Die lebendige Welt ist ein Kontinuum in all ihren Aspekten. Je eher wir uns dessen in Bezug auf menschliches Sexualverhalten bewusst werden, umso eher werden wir zu einem wirklichen Verständnis der Realitäten gelangen“
Andererseits gibt es in seiner grafischen Darstellung eine abgetrennte Gruppierung (Gruppe „X“).
Schlussfolgerung:
Laut Taxonomie müsste es möglich sein, mit nur einer Grafik/Skala alle zwischenmenschlichen sexuellen Ausprägungen zu erfassen, so dass die Gruppe „X“ (Asexuelle) in den anderen integriert ist.

These 2
Behauptung:

Die Gruppen werden statistisch erfasst, also ausschließlich „wer mit wem“ und „wie oft“ sexuelle Kontakte ausübt. Die emotionale Ebene wird in der Kinsey-Skala nicht berücksichtigt.
Erläuterung:
Meist stimmt das sexuelle Verlangen mit der emotionalen Anziehung überein. Doch manchmal spielt sich einiges im Kopf ab, ohne es im realen Leben ausleben zu wollen. Auch eine ausschließlich emotionale Anziehung ohne sexuellen Hintergrund ist möglich (Asexuelle).
Schlussfolgerung:
In einer Klassifikation der sexuellen Orientierungen sollte man sowohl die körperliche als auch die emotionale Ebene berücksichtigen. Laut Taxonomie müssten die Übergänge auf beiden Ebenen ebenfalls fließend verlaufen.

These 3
Behauptung:

Es gibt keinen gravierenden Unterschied zwischen den Gruppen 1 und 2 sowie 4 und 5.
Erläuterung:
Ob jemand nur gelegentlich oder öfter sexuelle Kontakte hat, derjenige bleibt weiterhin hetero- oder homosexuell.
Schlussfolgerung:
In der Klassifizierung sollte das Interesse an sexuellen Kontakten (Intensität der körperlichen Anziehung) berücksichtigt werden.

These 4
Behauptung:

Die Bezeichnung der Gruppen mit Ziffern von 0 bis 6 ist irreführend.
Die Aufzählung von 0 bis 6 könnte zwei Bedeutungen haben:
1) Es soll eine Steigerung dargestellt werden.
2) Es handelt sich lediglich um eine reine Aufzählung von mehreren Gruppen, die voneinander unabhängig sind.
Erläuterung:
Keines von beiden Bedeutungen trifft zu.
Zu 1) Eine Steigerung ist nicht vorhanden, denn es handelt sich um geschlechtliche Ausrichtungen.
Zu 2) Die einzelnen Gruppen hängen sehr wohl miteinander zusammen:
Erstens: Die Gruppen 0 und 6 sind gleichermaßen extrem geprägt, nur in entgegengesetzter Richtung. Für heterosexuellen Menschen aus der Gruppe 0 ist ein homosexueller Kontakt undenkbar (= “hard-hetero“). Gleichermaßen ist für homosexuellen Menschen aus der Gruppe 6 ein heterosexueller Kontakt nicht vorstellbar(= “hard-homo“).
Zweitens: Die Gruppen 1 und 5 zeigen etwas mehr Flexibilität in dieser Hinsicht, aber ebenfalls gleichermaßen in entgegengesetzter Richtung („soft-hetero“, „soft-homo“).
Drittens: Die Gruppe 3 (Bisexuelle) liegt genau in der Mitte zwischen den beiden Polen, ist also ausgewogen (50%hetero / 50% homo veranlagt).
Viertens: Die Gruppen 2 und 4 zeigen Tendenz gleichermaßen in zwei verschiedenen Richtungen.
Schlussfolgerung:
Eine Gruppenbezeichnung, die diese Ähnlichkeiten ausdrückt, wäre aussagekräftiger, als nur eine Nummerierung.

Unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte könnte eine modifizierte Kinsey-Skala so aussehen:

Abb. 02

 

Um alle vier oben genannten Thesen in nur einer Grafik zu berücksichtigen, habe ich die Kinsey-Skala in drei Schritten komplett überarbeitet.

Schritt 1: Geschlechtliche Anziehung

 

Abb.03

 

  1. a) Alle Gruppen (Spalten) wurden je nach emotionaler und körperlicher Anziehung neu definiert.
  2. b) Die X-Achse (Geschlechtliche Anziehung = Sexuelle Ausrichtung) wurde eingefügt und alle Gruppen (Spalten) mit Zahlen von 0 bis 3 je nach Stärke der Ausprägung bezeichnet.
  3. c) Farbe und Optik wurden verändert: Die drei Grundfarben (rot, blau, gelb) stehen für die Orientierungen hetero-, bi-, homo-sexuell und schwarze Farbe für die asexuelle Gruppe. Spalten die komplett mit einer Farbe ausgefüllt sind, stehen für extrem heterosexuell (rot), extrem homosexuell (blau) und genau gleich 50:50 (gelb) für bisexuell.
  4. d) Durch die Differenzierung zwischen emotionaler und körperlicher Ebene, kommt es zu einer Verschiebung auf der X-Achse. Die Gruppen/Spalten 2 (nach Kinsey-Skala 1 und 5) gelten nun nicht mehr als bisexuell.

 

Schritt 2: Körperliche Anziehung

Abb.04

 

  1. a) Alle Spalten der Abb.03 inkl. der Beschreibungen wurden vorübergehend aufgelöst.
  2. b) Die Y-Achse (Körperliche Anziehung = Sexuelle Interaktion) wurde eingefügt und ähnlich wie die X-Achse unterteilt. Dadurch werden 3 weitere sexuelle Orientierungen dargestellt (Sexuelle, Semisexuelle, Asexuelle).
  3. c) Um die Bedeutung der Y-Achse optisch zu verstärken, wurde die Farbsättigung fließend verändert.
  4. d) Die einzelnen Gruppen (Zeilen) wurden beschrieben, allerdings sind die Ausführungen eher als Anhaltspunkte zu verstehen.

 

Schritt 3: SKS (X, Y)

Die Grafik mit Spalten (Abb.03) und die Grafik mit Zeilen (Abb.04) wurden zusammengelegt. Daraus ergibt sich folgendes:

  1. a) Durch das Kreuzen von Spalten und Zeilen sind genau 43 Felder entstanden.
  2. b) Die einzelnen Felder lassen sich mit Hilfe von zwei Koordinaten definieren.
    – X-Achse: Geschlechtliche Anziehung– Y-Achse: Körperliche Anziehung
  3. c) Die einzelnen Felder werden durch die Beschreibungen der Abb.03 und Abb.04 definiert.

Auf diese Weise ist nun ein Sexual-Koordinaten-System mit zunächst zwei Koordinaten (X, Y) entstanden – ich nenne es mal die „Luk-Skala“:

Abb.05

Diese Skala ist lediglich eine geometrische Darstellungsform und sagt nichts über die Mengenverteilung aus.

 

02.1 AVEN-Dreieck

Seit dem Jahr 2001 existiert die weltweite Bewegung AVEN. Hier finden sich Menschen zusammen, die kein Interesse an Sex haben. Das Symbol der Asexuellen ist ein Dreieck mit schwarzer Spitze nach unten gerichtet (Abb.06). Die genaue Erklärung des Symbols ist auf der Internet-Seite von AVEN ersichtlich: https://www.aven-info.de/asexualitaet/asex6.html

Abb.06

 

Ich erlaube mir an dieser Stelle ein Zitat aus dem AVENde-Forum:

„Ich glaube, dass prinzipiell jede Einteilung in klare Kategorien (wie auch männlich/weiblich) konstruiert ist. Solche Konstruktionen helfen oft, sich zu identifizieren, zurecht zu finden, zu orientieren, Partner bzw. Gleichgesinnte zu finden etc. wie auch die Kategorien A-D von Asexualität hier unter den Informationen ja lediglich Anhaltspunkte sind. Aber wie jede Konstruktion richtet sie sich nach „Idealwerten“, die so niemals ganz zutreffen können. Welche Frau ist schon 100% weiblich und 0% männlich, welcher Mensch ist schon 100% sexuell? Also glaube ich, dass es niemals eine Asexualität, Hetero- oder Homosexualität im absoluten reinen Fall geben könnte, sondern immer irgendwelche Arten der Semisexualität.
Auch zwischen Sexualität und Asexualität sehe ich also viele Grauzonen, in denen man sich mit seiner individuellen Sexualität ansiedeln kann. Dazu ist ja im Dreieck sehr viel Platz, nicht nur zwischen Heterosexualität und Homosexualität, sondern auch zwischen allen anderen hervorstehenden Eckpunktkombinationen…“

Obwohl zwischen Kinsey`s Aussage (siehe These 1) und dem Zitat aus dem AVEN-Forum 60 Jahre liegen, vermitteln beide Äußerungen exakt die gleiche Botschaft, nämlich, dass die Übergänge zwischen den sexuellen Ausrichtungen fließend verlaufen. Das Asex-Dreieck (Abb.06) und der Luk-Skala (Abb.05) bestätigen sich gegenseitig:

Abb.07

 

Das Dreieck lässt sich auch mit prozentuellen Anteilen beschriften:

Abb.08

 

Die Prozentsätze mit roter und blauer Farbe beziehen sich jeweils auf alle Spalten. Die Prozentsätze mit grüner und schwarzer Farbe beziehen sich jeweils auf alle Zeilen.

 

02.2 Andere Modelle

Storm`s Model:

Abb.09

 

Storm`s Model und Luk-Skala bestätigen sich gegenseitig:

Abb.10

 

Shively & DeCecco Scale

Shively & DeCecco haben versucht, sowohl die emotionale und körperliche Anziehung als auch die geschlechtliche Anziehung getrennt zu betrachten. Dazu ein Auszug aus Wikipedia:

Abb.11

 

Ich halte die Shively & DeCecco Scale für irreführend. Sie besagt, je weniger heterosexuell, umso „mehr“ asexuell, sowie je weniger homosexuell dann ebenfalls umso „mehr“ asexuell. Um bisexuell zu sein, muss man demnach sowohl stark heterosexuell als auch stark homosexuell sein. Das ist doch Unsinn! Wer stark heterosexuell ist, ist ganz und gar nicht bisexuell und wer stark homosexuell ist, ist ebenfalls sicher nicht bisexuell.

Die Veränderung der Orientierung, in der eine Abnahme der homosexuellen Anziehung nicht gleichzeitig die Zunahme der heterosexuellen Anziehung verursacht (nicht binär), halte ich für falsch. In der Shively & DeCecco Scale wurden zwei verschiedene Werte – die Intensität der körperlichen/emotionalen Anziehung und die geschlechtliche Anziehung – miteinander gekoppelt. Zwei Werte, die unabhängig voneinander variieren, lassen sich meines Erachtens nach nicht synchronisieren.

Sowohl in der Kinsey-Skala als auch im Storms-Modell ist gut ersichtlich, dass der Übergang von hetero zu homo kontinuierlich (taxonomisch und binär) verläuft. Das bedeutet je weniger heterosexuell desto mehr homosexuell.

 

  1. Aromantik

Auch wenn wir Menschen soziale Wesen sind, benötigt nicht jeder unbedingt eine Partnerschaft. Das Bedürfnis nach einer Partnerschaft ist unterschiedlich ausgeprägt und erstreckt sich zwischen Romantik und Aromantik.

Abb.12

 

Mit der dritten Koordinate (Z-Achse) ist nun das Sexual-Koordinaten-System (SKS) komplett:

Abb.13

 

Eine genaue Bezeichnung der sexuellen Orientierung müsste also eine Kombination aus allen drei Variablen beinhalten, denn alle Kombinationen untereinander sind vollkommen legitim. Eine Person ist dann beispielweise heterosexuell (X), semisexuell (Y) und romantisch (Z). Theoretisch lässt sich auf diesem 3D-Koordinaten-System mit Hilfe nur eines Punktes die Orientierung ziemlich genau definieren. In Wirklichkeit ist das eine gewisse Komfortzone, die im Laufe des Lebens etwas variieren kann. Die Begriffe geben in erster Linie eine Richtung an, sie erleichtern damit die Selbstfindung und die Kommunikation.

 

03.1 Begriffserklärung

Asexualität

Asexualität an sich dürfte den meisten Menschen besser bekannt sein, als sie glauben. Jeder heterosexuelle Mensch ist gegenüber dem gleichen Geschlecht asexuell. Wenn Heterosexuelle wissen möchten, wie sich Asexualität anfühlt, sollten sie versuchen, mit einer gleichgeschlechtlichen Person sexuell zu interagieren. Bei homosexuellen Menschen ist es genau umgekehrt, sie sind asexuell gegenüber dem anderen Geschlecht. Asexualität ist ein Spektrum. Es gibt „extrem“-Asexuelle (100%), auch „Absolut Asexuelle“ genannt (Gruppe 0 in Abb.05), die jede körperliche Nähe vermeiden und „Soft“-Asexuelle (Gruppe 1 in der Abb.05), die körperliche Nähe (ohne sexuelle Interaktion) wünschen. Diese Gruppe ist schon geschlechtlich orientiert (hetero-asexuell, bi-asexuell und homo-asexuell).

Sexuelle Erregung / Sexuelle Anziehung

Viele sexuelle Menschen glauben, dass sexuelle Erregung und sexuelle Anziehung das gleiche ist und daher jeder, der sexuelle Erregung erlebt, auch sexuelle Anziehung verspüren muss. Das ist nicht wahr. Einige asexuelle Menschen können durchaus sexuelle Erregung empfinden, haben aber nicht das Bedürfnis diese mit anderen Menschen auszuleben (= keine sexuelle Anziehung).

Bisexualität

Bisexuelle Menschen sind bei der Partnerwahl geschlechtlich nicht festgelegt. Erst das Geschlecht des Partners entscheidet, ob sie homosexuell oder heterosexuell interagieren. Allerdings nehmen bisexuelle Menschen die geschlechtlichen Merkmale des Partners von Anfang an wahr und fühlen sich von diesen Merkmalen sexuell angezogen.

Semisexualität

Semisexualität ist die Entsprechung der Bisexualität nur auf der Y-Achse. Sie hängt nicht zwingend mit der Häufigkeit der sexuellen Kontakte zusammen, viel mehr richtet sie sich nach der Sexualität des Partners. Ist der Partner/in sexuell, interagiert der Semisexuelle mit ihm/ihr sexuell. Ist der Partner asexuell, bleibt der Semisexuelle sexuell inaktiv. Ein semisexueller Mensch befindet sich grundsätzlich in einem sexuellen „Stand-by-Modus“: erst die Umstände (der Partner) können ihn sexuell aktivieren. Möglicherweise ist bei den Semis ein Sexualtrieb vorhanden, die sexuelle Anziehung dagegen kaum von Bedeutung. Sex ist angenehm, aber keine Notwendigkeit.

Semiromantik

Auch hier gilt eine ähnliche Erklärung: Die Persönlichkeit und das Bedürfnis/der Wunsch des Partners entscheiden, ob ein Semiromantiker eine Partnerschaft eingeht oder nicht. Es ist für ihn wenig von Bedeutung, ob ein Verhältnis als eine Beziehung oder eine Freundschaft bezeichnet wird.

Die Bisexuelle- und Semisexuelle-Individuen zeichnet eine flexible Bandbreite zwischen den jeweils zwei Polen (hetero-homo, sexuell-asexuell, romantik-aromantik) aus. Sie sind primär „neutral“ und können sekundär „die Farbe des Partners bekennen“. Dahinter stecken psychosomatische Prozesse, die auf eine wissenschaftliche Erklärung werden wohl noch warten müssen.

Romantik

Hierbei handelt es sich um Menschen mit Bindungswunsch, die eine Partnerschaft anstreben. Ein Romantiker fühlt sich alleine einsam bzw. unglücklich.

Aromantik

Das sind Menschen ohne Bindungswunsch, die mit dem Alleine-Sein (ohne Partner) glücklich sind.

 

  1. Geschlecht

Bei der Betrachtung der sexuellen Orientierung handelt es sich um die ZIEL-Identität, also was für Geschlecht zieht mich an. Beispiel: „Mich ziehen Frauen oder/und Männer stark oder weniger bis gar nicht (asex) an“. Bei der Betrachtung des Geschlechtes handelt es sich um die ICH-Identität, also was für Geschlecht bin ich. Beispiel: „Ich bin eine Frau, ich bin ein Mann, ich bin Intersexuell (=beides in einem).

Intersexuell: Bei Intersexuellen sind nicht alle geschlechtsbestimmenden Merkmale wie Chromosomen, Hormone, Keimdrüsen oder äußere Geschlechtsorgane eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen.

Abb.14

 

Die Expression der geschlechtlichen Zugehörigkeit kann variieren. Sie kann stark oder mittel bis gar nicht ausgeprägt sein. Unter der geschlechtlichen Expression ist der Ausdruck der Weiblichkeit, der Männlichkeit oder der Androgynität zu verstehen. Menschen mit starker Gender-Expression betonen ihre geschlechtliche Zugehörigkeit durch die gezielte äußere Erscheinung (Kleidung, Schmuck, Make-up, Körperbau), Stimme, Körpersprache und die soziale/kulturelle Rolle. Andere legen wenig Wert drauf, fühlen sich geschlechtlich neutral oder vermeiden sogar die geschlechtlichen Merkmale (Geschlechtslos, Agender, Neutrois).

Abb.15

 

04.1 Trans*

Transvestit (Cross-Dresser) ist eine Person, die sich durch ihre äußere Erscheinung (Kleidung, kulturelles Verhalten) dem anderen (ihrem gegenseitigen) Geschlecht angehörig fühlt. Diese äußere Transformation kann gelegentlich oder regelmäßig sowie teilweise oder vollständig stattfinden. Ein Transvestit hat nicht das Bedürfnis sein Geschlecht körperlich (operativ) zu ändern und wird deswegen manchmal auch als Soft-Transgender bezeichnet.

Transsexualität bedeutet, dass das Gehirn-Geschlecht (Geschlechtsidentität / „ich bin“) einer Person nicht mit ihrem Körper-Geschlecht („ich habe“) übereinstimmt. Eine hormonelle und chirurgische Geschlechtsumwandlung wird oft angestrebt oder zumindest gewünscht. Der Begriff transsexuell bezieht sich auf das Geschlecht und sagt nichts über die sexuelle Orientierung der Person aus. Die transsexuellen Menschen sind keine „Zwischengeschlechter“, sie empfinden sich grundsätzlich als Mann oder als Frau. Deswegen hat die folgende Abbildung einen symbolischen Charakter. Damit möchte ich vor allem die Transsexualität sichtbar machen.

Abb.16


05.1 Demisexualität

Bei einer klassischen (sexuellen) Partnerschaft entfalten sich die emotionale und die sexuelle Anziehung synchron. Das bedeutet, die emotionale Bindung (Sehnsucht nach dem Partner) sowie die sexuellen Wünsche, Bedürfnissen und Handlungen sind vermischt und parallel erwünscht.

Abb.17

 

Demisexualität bezieht sich auf die Genese einer Partnerschaft, ist also den Romantikern zugeschrieben. Sie beschreibt das Verhältnis zwischen der emotionalen und der körperlichen Anziehung in der Initialphase einer potentiellen Partnerschaft. Demisexuelle orientieren sich an der Persönlichkeit eines Individuums und verspüren initial keine sexuelle Anziehung.

Abb.18

 

In der Entwicklung einer Partnerschaft fallen drei Besonderheiten auf:

  1. Demisexuelle durchleben zwei nacheinander folgende Phasen, die individuell über längere Zeit ausgedehnt sind. Zuerst entfaltet sich die emotionale Bindung und dann darauf aufbauend steigt die sexuelle Anziehung.
  2. Die sexuelle Anziehung weist einen spezifischen Kurven-Verlauf auf (sexuelle Hyperbel). In der ersten (emotionalen) Phase sind die Demisexuellen sexuell unsensibel, sie fühlen sich von dem Partner sexuell nicht angezogen (asexuell).

 

  1. In der zweiten (sexuellen) Phase steigt zwar die sexuelle Anziehung, allerdings nur bis zum Niveau der eigenen grundlegenden sexuellen Orientierung (auf der Y-Achse). Das bedeutet, eine demisexuelle Person kann letztendlich sexuell, semisexuell oder asexuell sein:

Abb.19

 

Die zeitliche Ausdehnung ist individuell und kann von einigen Wochen/Monaten bis Jahre dauern. Ein solcher Zustand kann sich in einer Partnerschaft belastend auswirken, vor allem, wenn den Partnern der demisexuelle Hintergrund nicht bewusst ist.

 

05.2 Pansexualität

Zu allererst ist hier nötig, den Unterschied zwischen Bisexualität und Pansexualität zu verstehen.

Bisexualität: Bei den bisexuellen Menschen entfalten sich die emotionale Anziehung und die sexuelle Anziehung zum Partner synchron. Die bisexuellen Menschen nehmen die geschlechtlichen Merkmale des Partners von Anfang an wahr und fühlen sich von diesen Merkmalen sexuell angezogen. Das Geschlecht des Partners bestimmt, ob der Bisexuelle homosexuell oder heterosexuell interagiert.

Abb.20

 

Pansexualität: Die pansexuellen Menschen nehmen in der Initialphase die geschlechtlichen Merkmale des Partners nicht wahr. Sie orientieren sich an der Persönlichkeit eines Individuums.

Pansexualität hat eine ähnliche „Konstruktion“ wie Demisexualität. Allerdings bezieht sich Pansexualität sowohl auf die sexuelle Anziehung (Y-Achse) als auch auf die geschlechtliche Anziehung (X-Achse).

Auch die Pansexualität beschreibt die Genese einer Partnerschaft, ist demzufolge wie Demisexualität den Romantikern zugeschrieben. Bei pansexuellen Menschen fallen drei Besonderheiten auf:

  1. Pansexuelle durchleben zwei nacheinander folgenden Phasen, die individuell über längere Zeit ausgedehnt sind. Zuerst entfaltet sich die emotionale Bindung und dann darauf aufbauend nehmen die sexuelle Anziehung und die geschlechtliche Ausrichtung zu.
  2. Die sexuelle Anziehung und die geschlechtliche Ausrichtung haben jeweils einen spezifischen Kurven-Verlauf (sexuelle Hyperbel und geschlechtlich Hyperbel). In der ersten (emotionalen) Phase fühlen sich Pansexuelle vom Partner sexuell nicht angezogen und nehmen die geschlechtlichen Merkmale des Partners nicht wahr. Sie sind in dieser Zeit asexuell und geschlechtlich neutral. Jede pansexuelle Person ist auch demisexuell, aber keine demisexuelle Person ist pansexuell. Bei den demisexuellen Menschen ist nämlich die geschlechtliche Ausrichtung von Anfang an festgelegt.

Abb.21

 

  1. In der zweiten Phase formen sich zwei Eigenschaften zugleich.

Die sexuelle Hyperbel endet wie bei Demisexuellen auf dem Niveau der eigenen grundlegenden sexuellen Orientierung (auf der Y-Achse). Das bedeutet, eine pansexuelle Person kann letztendlich sexuell, semisexuell oder asexuell sein.

Die geschlechtliche Hyperbel (geschlechtliche Ausrichtung) endet auf der X-Achse auf dem Niveau des Geschlechtes des Partners. Die Behauptung, dass eine pansexuelle Person letztendlich heterosexuell oder homosexuell sein kann, stimmt jedoch nicht ganz. Denn Pansexuelle können auch mit Transsexuellen oder Intersexuellen eine Beziehung eingehen – initial nehmen sie ja die geschlechtlichen Merkmale des Partners nicht wahr und das ist der wesentliche Unterschied gegenüber der Bisexualität.

Demi- und Pansexualität sind ausschließlich Initialphasen in einer Partnerschaft – der Beziehung geht sozusagen eine längere platonische Freundschaft voraus.

 

  1. Beziehungsformen

In der Geschichte der Menschheit war eine langjährige Monogamie alles andere als eine romantische und sexuell treue Liebesbeziehung. Eine Ehe war über lange Zeit ein Pakt, für den eine emotionale/romantische Anziehung nicht notwendig war, außerdem war außerehelicher Sex oft mehr als geduldet. Hierzu lohnt ein Blick auf Ausführungen von Michael Mary. In wenigen Minuten schildert er das Thema Partnerschaft sehr kompakt:

https://www.youtube.com/watch?v=0zF3GsNpKGU

Heute wird die Illusion von Exklusivität durch eine serielle Monogamie aufrechterhalten. Dennoch wird Monogamie als die einzig richtige und wahre Partnerschaftsform hartnäckig propagiert. Eine biologische Veranlagung für Paarbeziehungen scheint nicht zu widersprechen. Die Scheidungsrate, außerehelicher Sex, blühende Prostitution etc. bestätigen seit jeher, dass eine exklusive und lebenslange Zweierbeziehung nicht jedermanns Sache ist.

Auch ein starker Sexualtrieb kann für die sexuelle „Untreue“ nicht ausschließlich verantwortlich gemacht werden. Denn er kann unterschiedlich ausgelegt sein – eine Person braucht zwar oft Sex, dies allerdings nur mit dem Partner (Mono-Veranlagung), eine andere mit verschiedenen Partnern (Poly-Veranlagung), noch eine andere braucht dazu gar keinen Partner (einige Asexuelle masturbieren lediglich).

Sowohl Monogamie als auch Polyamorie (Polygamie sowieso) setzen gewisse und teilweise sogar gleiche Rahmenbedingungen voraus – auch polyamore Partnerschaften sind eher exklusiv bzw. geschlossen. Beide Beziehungsformen sind also nicht bedingungslos, sondern rechtlich geregelte (Ehe, eigetragene Partnerschaft) oder abgesprochene Vereinbarungen. Für einen dritten Pol in den zwischenmenschlichen Verhältnissen könnte die Beziehunganarchie stehen: https://de.wikipedia.org/wiki/Beziehungsanarchie

Bei der Beziehunganarchie gibt es keine Rahmenbedingungen außer Ehrlichkeit, Offenheit und Respekt gegenüber dem Anderen.

Abb.22 Poly

Zwei ergänzende Links zum Thema Mono* & Poly* :

https://www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/Der-Sex-der-Zukunft-Was-sich-in-unserem-Liebesleben-veraendert-id20050846.html

https://www.aven-forum.de/viewtopic.php?p=136333&highlight=#136333

Fazit

Ich hoffe mein SKS-Projekt kann zu mehr Verständnis und Toleranz für unseres friedliches Miteinander beitragen.

Quellenangabe

Alle Grafiken sind Eigenwerk aufgrund von meinen Analysen der Beiträge aus dem AVENde- und anderen Foren.

Danke für die Zeit und Aufmerksamkeit.

Luk

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